Lessings Hamburgische Dramaturgie und sein Briefwechsel mit Mendelssohn und Nicola´i u¨ber das Trauerspiel geho¨ren ohne Zweifel zu den wichtigsten Dokumenten der deutschen Poetik im 18. Jahrhundert. Die Form des Dramas, die Lessing in diesen nicht...
Lessings Hamburgische Dramaturgie und sein Briefwechsel mit Mendelssohn und Nicola´i u¨ber das Trauerspiel geho¨ren ohne Zweifel zu den wichtigsten Dokumenten der deutschen Poetik im 18. Jahrhundert. Die Form des Dramas, die Lessing in diesen nicht systematischen und teilweise nicht vom Widerspruch freien Schriften theoretisch zu begru¨nden versucht, stellt eine Revolution in der Geschichte der deutschen Literatur dar, denn sie bedeutet in verschiedenen Hinsichten einen Bruch mit der dramatischen Tradition seit Aristoteles.
Was Lessing konsequent verfolgt hat, ist der Versuch, die Trago¨die dem Publikum na¨herzubringen, d.h. die tragische Bu¨hne so umzugestalten, daβsie dem Geschmack des bu¨rgerlichen Publikums entsprechen und seine Lebensweise, Ansichten und Ideale wiedergeben kann. Daβ Lessing die Trago¨die in den Dienst der Moral stellt und das Theater zu einer “moralischen” Anstalt zu machen versucht, ist dafu¨r typisch. Alle dramaturgischen U¨elberlegungen Lessings Konzentrieren sich auf diese moralische Zielsetzung der Trago¨die. Daher sind die wichtigsten Begriffe seiner Dramentheorie, z.B.Mitleid, Furcht, Katharsis, Illusion, Identita¨t, Wahrscheinlichkeit usw. doppelter Natur. Sie sind Zuna¨chst dramaturgische Mittel, haben aber ausschlieβlich moralische Nebenbedeutungen.
Zuletzt versucht Lessing, die von seinem neuen Trauerspiel dargestellte Welt des bu¨rgerlichen, d.h. des “ehrlichen”, “privaten”, “menschlichen” und “nicht-heroischen” Menschen als Modell der ganzen Natur hinzustellen, in dem die Ordnung der Natur anschaulich geschildert ist, also als eine Welt, die der adeligen weit u¨berlegener ist. So betrachtet, stellt Lessings Theorie d¨es bu¨rgerlichen Trauerspiels eine Form der Emanzipationsbewegungen des bu¨rgertums in 18. Jahrhundert dar.