In der vorliegenden Arbeit wird versucht, eine Parallelita¨t zwischen der philosophischen Erkenntnislehre und der kthstlerischen Praxis an Hand der Mehrdeutigkeit zu skizzieren. Die deutsche idealistische philosophische Stro¨mung von Kant u¨ber Fic...
In der vorliegenden Arbeit wird versucht, eine Parallelita¨t zwischen der philosophischen Erkenntnislehre und der kthstlerischen Praxis an Hand der Mehrdeutigkeit zu skizzieren. Die deutsche idealistische philosophische Stro¨mung von Kant u¨ber Fichte und Schelling bis Nietzsche betont die Subjektivita¨t der Erkenntnis. Bekanntlich war der Urheber dieser Lehre Kant, der die Erkenntnk als Produkt der subjektiven Erkenntnistatigkeit definiert hat, indem er den traditionell anerkannten Vorrang des Objekts verabschiedete. Diese kopemikanische Wende der Erkennmislehre gipfelt im Perspektivismus Nietzsches, wonach die Erkenntnis vom betrachtenden Standpunkt des erkennenden Subjekts abha¨ngig ist. Der Perspektivismus beinhaltet den Pluralismus der Erkenntnis, der zur Mehrdeutigkeit in der Kunst filhrt. Was die Frage anbelangt, was die Mehrdeutigkeit in der Kunst ermoglicht, wird hier die Materialisierung in Betracht gezogen. Mit der Materialisierung der Kunstsprache wird gemeint: Die Verwendung der Sprache nicht als Mittel Air die eindeutige Sinnverweisung, sondem als Material Air die Potenzierung der reichen Assoziation und Allusion. Literaturgeschichtlich betrachtet zeigt sich der Keim der tendenziellen Materialisierung der literarischen Sprache in der Theorie der Fru¨hromantik. In der absoluten Lyrik gegen Mjtte des 19. Jahrhunderts folgt die Praxis, in der konkreten Poesie erreicht die Entwicklung k e n Ho¨hepunkt, der in der Avantgarde, besonders im dadaistischen Klang- und Buchstabengedicht sein Vorbild findet. Eine a¨hnliche Entwicklung der Malerei ist zu beobachten, wenn man beru¨cksichtigt, dass die malerische Sprache, wie Farbe, Fla¨che und Linie, in der Moderne radikal materialisiert wird. Am Anfang war es der Impressionismus, der versucht hat, nicht das Objekt als solches, sondem die Impression dessen im Inneren des betrachtenden Subjekts nit Hilfe des punktualismus darzustellen. Die Farbe, die Fla¨che und die Linie werden von der Ptlicht der treuen Wiedergabe des Objekts befieit. Die Abkoppelung vom Prinzip der Mimesis wird u¨ber den Kubismus vor allem in der expressionistischen Malerei kandinskyscher Pra¨gung auf die Spitze getrieben. Die Mehrdeutigkeit zielt auf eine harte Kritik an der unterdru¨ckenden Herrschaft der Vemunft ab, wie es sich zuerst in der Fru¨hromantik und danach im Expressionismus deutlich zeigt. Kulturell betrachtet bedeutet die Monosemie die Herrschaft des einzigen Sinns, die die Differenz und friedliche Koexistenz des Disparaten nicht duldet. Polysemie entha¨lt in sich auch die Hoffnung auf eine herrschaftslose Gesellschaft, die von der Monosemie weit entfernt ist.