Doppelga¨nger, Spiegelbild und Schatten du¨rften als beliebte Motive insbesondere der europa¨ischen bzw. deutschen Romantik gelten und leben bis heute in der phantastischen Literatur und Kunst fort. Das Motiv des Doppelga¨ngers, verwendet von Jean...
Doppelga¨nger, Spiegelbild und Schatten du¨rften als beliebte Motive insbesondere der europa¨ischen bzw. deutschen Romantik gelten und leben bis heute in der phantastischen Literatur und Kunst fort. Das Motiv des Doppelga¨ngers, verwendet von Jean Paul inseinem Roman Siebenka¨s, wurde von vielen Romantikern wieder aufgegriffen, darunter auch E. T. A. Hoffmann etwa in seiner Erzh¨hlung Die Abenteuer der Silvester-Nacht.
Die ha¨ufige Anwendung des Doppelga¨nger-Motivs ha¨ngt offenbar mit den Problemen dieser Zeit, das Bild des Subjekts bzw. seine Identita¨t zu konzipieren, zusammen. Signifikant ist dabei, dass das Doppelga¨nger-Paar-wie ha¨ufig bei den Romantikern-auch in dem oben genannten Werk von Hoffmann aus einer ‘ma¨nnlichen’ und einer ‘weiblichen’Figur besteht, wobei sich die erstere zumeist als das Urbild und die letztere als sein Abbild darstellt.
Die vorliegende Abhandlung versucht Funktion und Bedeutung des ‘weiblichen’ Doppelga¨ngers in Die Abenteuer der Silvester-Nacht herauszuarbeiten und zwar insbesondere in Bezug auf die Identita¨tssuche des modernen Subjekts. Es wird davon ausgegangen, dass es sich bei einem solchen Motiv nicht bloβ um ein literarisches handelt, sondern dass dem ‘weiblichen’ Doppelga¨nger daru¨ber hinaus eine geschlechterdifferenzierende und identita¨tsstiftende Funktion fu¨r das schreibende Ich zukommt.
Das handelnde ma¨nnliche Ich zeight sich innerlich gespalten und ist als solches das Produkt einer gescheiterten aufkla¨rerischen Anthropologie des vorigen Jahrhunderts, die auf der Grundlage des patriarchalischen Logos-Prinzips den Mann zum Subjekt erkor und die Frau zu einem Schattendasein verurteilte.
Das Hoffmannsche Ich versucht phantasierend bzw. schreibend seiner aus dieser Philosophie resultierenden inneren Zerrissenheit dadurch zu begegnen, dass es sein Ich in viele weitere ‘andere’ aufspaltet : Die so abgespaltenen Teile des Ichs werden dem ‘Weiblichen’ zugeschrieben. Diese abgespaltenen ‘weiblich-anderen’ Teile des Ichs verwirft bzw. begehrt das vermeintliche ‘Selbst’ des Hoffmanschen Ichs als bo¨se fremde und zugleich auch anziehende Macht.
Alle ‘weiblichen’ Doppelga¨nger sind letztlich als Ich-Anteile des schreibenden Ichs von Hoffmann selbst anzusehen. Sie dru¨cken die Zwiespa¨ltigkeit seines Ich aus - in diesem Fall im Hinblick auf sein aktuelles Liebeserlebnis mit Julia Marc. Dieses Ich sucht er schreibend zu retten. Somit erweisen sich seine ‘weiblichen’ Doppelga¨nger als ein Paradigma des doppeldeutigen ‘Weiblich-Anderen’ in dem ma¨nnlich dominierten literarischen Identita¨ts-und Sexualita¨tsdiskurs.