Die Geschiche der abendlandischen Musik ist eine Geschichte bestandiger Umwandlungen und dynamischer Entwicklungen, sie spiegelt in allen Stadien geistige und seelische Problematik der jeweiligen Epochen, die kunstlerisch-psychologiche Konstitution ih...
Die Geschiche der abendlandischen Musik ist eine Geschichte bestandiger Umwandlungen und dynamischer Entwicklungen, sie spiegelt in allen Stadien geistige und seelische Problematik der jeweiligen Epochen, die kunstlerisch-psychologiche Konstitution ihrer schopferischen Personlichkeiten sowie die musiktheoretischen Erforschungen des Tonmaterials. Unter diesem Aspekt konnen wir auch verstehen, dass die Veranderungen, die die Neuorientierung der Musik herbeifuhrt und die in groβem Umfang die Beziehung zwischen Mensch und Musik betreffen, eng mit den Wandlungen allgemeiner Denkprozesse in unserer Gesellschaft zuasmmenhangen.
Sicherlich hat Bela Bartok sowohl dieses zeitgeschichtliche, als auch kulturhistorische Wandlungsbild in sich aufgenommen, als er sah, daβ die Durmoll-Tonalitat der europaschen Klassik und Romantik fast zu erlahman begann und daher durch etwas neues abgelost werden muβte. Hier hat er nun die neuen tonalen und metrischen Moglichkeiten geschaffen, die schlieβlich in die Musik vieler Volker ubergegangen sind.
Bartoks klanglich anβerordentlich kuhnes Violinkonzert Nr. 2 zeichnet sich besonders durch strengen Formwillen und durch seine Verschmelzung von Elementatem und Geistigem aus: Die Form ist traditionell, so ist der Sonatensatzthema mit sechs Variationen rondoformig, wobei die Haupttenmen des ersten Satzes frei variiert im Rondo wieder aufgegriffen werden. Nach dem einleitenden Teil, allegro non troppo, setzt die Solovioline mit dem leidenscharftlich-rhapsodischen Haupttema ein, das in seiner durch Quint-und Quartschritte scharf profilierten Gestalt auf die Struktur des ganzen Werkes bestimmend einwirkt. Bewegte Forspinnungsteile fuhren zu einer kanonischen Wiederaufnahme des Hauptthemas im Orchester. Auβerdem enthalten noch zwei andere Themen alle zwolf Tone der chromatischen Tonleiter. Es finden sich auch noch andere zwolftonige Melodiesequenzen, die letztlich a;s eine organisch entwickelte Erweiterung der Tonalitat zu verstehen sind. Danach beherrscht die konzentrierte thematische Arbeit(Engfuhrung, Vergroβerung und Umkehrung des Hauptthemas) den Durchfuhrungsteil.
In dieser analyischen Betrachtung sind wir schlieβlich zu der Feststellung gelangt, daβ nicht nur der I. Satz dieses Violinkonzerts ein besonders uberzeugendes Beispiel von Bartoks kompositionsstil ist, sondern auch das Werk als ganzes den ungeheuren Reichtum an Verknupfungen bei gleichzeitig charakteristischen Gegensatzen aufweist.