Auf den Roman des 19.Jahrhunderts hatte die idealistische Thematik nur insofern Einfluß, als ihr bewegendes Moment-der Richt ogramm war damit nicht mehr verbunden. Die Romantik wirkt nach, aber zur Hauptsache mit ihren geistigen Erlebnisschuben. Das ...
Auf den Roman des 19.Jahrhunderts hatte die idealistische Thematik nur insofern Einfluß, als ihr bewegendes Moment-der Richt ogramm war damit nicht mehr verbunden. Die Romantik wirkt nach, aber zur Hauptsache mit ihren geistigen Erlebnisschuben. Das Wirklichkeitsverhaltnis hatte sich grundliche verschoben. d.h., eine Verlagerung des Wertungssystems ging vor sich. Hauptwirklichkeit ist jetzt nicht mehr eine gedachte Welt. Die Komponenten des Sensuellen, Empirischen. Historischen gewinnen an Dominanz. Die Literatur und damit der Roman des 19. Jahrhunderts konnten also nur bedingt auf den alten literarischen Fundamenten weiterbauen.
Die Theorie um 1820 ventiliert diese Thematik mit erstaunlicher Einstimmigkeit, teils noch aufklarerisch wie Carl Nicolai, dessen Versuch einer Theorie des Romans 1819 erschien, teils schon in Anlehnung an Hegel, wie in der Einleitung uber den Roman von Karl Rosenkranz, erschienen 1827. Hegels Vorlesungen uber Asthetik erstreckten sich uber ein Jahrzehnt von 1818 bis 1829. Das Lehrhafte uberwiegt noch bei Nicolai, die aufklarerische Formel von angenehmer Beschaftigung der Phantasie und Belehrung als Zweck des Romans wirkt noch nach.
Der Roman soll ein Spiegel seiner Zeit oder uberhaupt einer bestimmt gezeichneten Wirklichkeit sein, er mag es nun mit geistigen Interessen oder mit historischen Begebenheiten als seinem Thema zu tun haben. In dieser theoretischen Sicht ist die Vielfalt der Romanform. d.h. ihre Moglichkeit angesprochen, menschliches Leben, Denken und Empfinden in der jeweiligen historischen Bedingtheit zum Ausdruck zu bringen, im Spigel der Zeit den ganzen Menschen zu zeigen und nicht nur die außeren Aktionen der von ihm geschaffenen und ihn beherrschenden Zivilisation.
Es gibt epische, lyrische und dramatische Zeitalter. Jetzt eben ist die Epoche des Romans angebrochen. Das laßt dem alten Verzeitalter seine Berechtigung, und Mundt glaubt, daß die Poesie sich nun mit der Prosa zu einem neuen Bundnis zusammengeschlossen habe. Die prosaische Sprache ist demnach nicht mehr aus dem Bereich der Dichtung ausgeschlossen, die Anerkennung hat stattgefunden, der Roman wird zukunftig auch in den Literaturgeschichten als Dichtung gelten. Mundts entscheidende Satze klingen, der Bedeutung entsprechend, programmatisch, fur das wirkliche und gesellschaftliche Leben gibt es jetzt nur die eine poetische Gattung. Dies ist der Roman, der eine so umfassende und elastische Formengebung hat, daß man zugleich die verschiedenen Elemente der Poesie, namentlich das Lyrische
und Dramatische, darin verschmelzen sieht.
Lukacs will kein System der epischen Formen bringen, sein Griff gehr weiteroim Zeitalter des fehlenden transzendentralen Mittelpunktes, der fehlenden transzendentalen Synthesis wird hier unmittelbar nach der Totalitat als der formgewordenen Weltstruktur im Epos gegriffen. Bei den Griechen konstituierte sich die Deckungsgleichheit aus Subjekt und Welt. Denken und handeln, also die Angemessenheit der Taten an die inneren Anforderungen der Seele als homogene Welt, als rhythmisches Ubereinstimmen von Seele und Welt-der Mensch ist nicht einsam, noch viel weniger entfremder der menschlichen Umwelt wie der komischen Gesamtwelt.
Das epische Individuum, der Held des Romans, entsteht aus dieser Fremdheit zur Außenwelt. Literarhistorisch ist das zu bestatigen. Was daraus resultiert, ist zugleich das formalasthetische Moment der Abstraktion, auf das schon Hegel hinwies, eben der utopische Charakter des Suchens, die Selbstumkreisung einer Sehnsucht, die sich selbst als die wahre Realitat, die wirkliche Wirklichkeit empfindet. Das Unabgeschlossene, Ubersichhinausweisende der Welt wird damit konsequent als letzte Wirklichkeit gesetzt.