In der vorliegenden Arbeit wird versucht, wie und warum das Volk in Georg Bu¨chners Dantons Tod auf dem ideodogischen Betru¨gen der jakobinischen Revolutionsfu¨hrer anhaltend hereinfa¨llt. In der zweiten Szene des Dramas leistet das vor Hunger ver...
In der vorliegenden Arbeit wird versucht, wie und warum das Volk in Georg Bu¨chners Dantons Tod auf dem ideodogischen Betru¨gen der jakobinischen Revolutionsfu¨hrer anhaltend hereinfa¨llt. In der zweiten Szene des Dramas leistet das vor Hunger verpo¨belte Volk anarchisch ka¨mpferischen Widerstand gegen die besitzende Klasse, Bourgeoisie u¨berhaupt einschlieBlich der jakobinischen Revolutionsfu¨hrer, weil sie alle den hunger des Volkes als einen furchtbaren Hebel zur Machtstabliisierung ihrer Clique und zur Liquidierung ihrer politischen Rivalen ausnu¨tzen. Aber die folgende Handlung des Dramas zeigt, wie schwer es fu¨r das Volk die wirklichkeitsferne Fiktivita¨t der phrasenvollen Ideologie zu durchchauen und von dem hartna¨ckigen Netz der strategischen Ideologie loszukommen wa¨re. Das Volk wird auch nach und nach von der Ideologie der Revolutionsfu¨hrer dressiert und indoktriniert und manchmal la¨Bt sich sogar mit ihnen ganz assimilieren und dann funktioniert oft als Marionette oder Handlanger fu¨r die diktatorische Revolutionsregierung. Dadurch verliert das Volk schlieBlich demokratisches RollenbewuBtsein und militante Initiative als kollektives Subjekt einer sozialen Revolution und gera¨t in die Desorientierung und Ratlosigkeit. Simons Verhalten ist ein typisches Beispiel fu¨r eine solche ideologische Abrichtung des Volkes. Simon wird ein Robespierre der Gasse. Man ko¨nnte Robespierre dann als ein Simon der Revolutionsregierung bezeichnen. Die Gemeinschaftlichkeit von beiden ist unwirkliche, phrasenhafte und fiktive Theatralik mit dem leeren Tugendideologie. Das Volk triffi die entgu¨ltige Entscheidung gegen Danton in III, 10. Aber sie ist auch eine Folge von der jakobinischen demagogischen Desorientierungsstrategie. Hedonismus, moralische Abweichungen werden in der Argumentation des 2. Bu¨rgers ebenso zu politica gemacht wie in der Rede Robespierres(l,3) und in Indizien fu¨r politische Konspiration uminterpretiert. Hier avanciert der Begriff der Tugendrepublik auch zum entscheidenden MaB der Dinge. Der o¨konomisch-wirklichkeitskritische Diskurs von dem Volk, dessen Relevanzkriterjum aus dem Gegensatz `arm/reich` besteht, ist mit der Zeit durch die moralisch-idealistische Revolutionsideologie von den bu¨rgerlichen Fu¨hrem verdra¨ngt und neutralisiert worden, die auf den dualistischen Klassifikationsrahmen `Gut/Bo¨se`, `Tugend/Laster` basiert. Textsemiologisch zu sagen wird die sansculottische revolutionstreibende Potentialkraft durch die dogmatische ho¨chste Supercode der Tugendrepublik von Robespierre absorbiert und entkra¨ftigt. Daher erlaubt die Revolutionsregierung dem Volk kein Raum, in dem es spontan und demokratisch seine eigene Rolle als Subjekt der sozialen Revoution zu verwirklichen versucht. Was Bu¨chner hier betont, wa~re in diesem Sinne kein pessimistisches Seufzen oder Verzweifeln u¨ber Dummheit und Wankelmu¨tigkeit des Volkes. Der Verfasser meint in diesem Kontext, dass Bu¨chners Drama Dantona Tod vielmehr eine kra¨ftige Appelstruktur hat , die dem Rezipienten ideologiekritisch die negative Situation der gescheiterter Revolution, v.a. Divergenz, Diskrepanz und Dissoziation zwischen Volk und Revolutionsregierung zu betrachten auffordert.