Peter Handke bricht mit dem Technik des epischen Theaters und dem Absurden Theater. Das Theater, wie es war, war fur Handke ein Relikt aus einer vergangenen Zeit. Die Brecht'sche Desillusionierung, die zum Desillusionieren immer Illusionen notig hatte...
Peter Handke bricht mit dem Technik des epischen Theaters und dem Absurden Theater. Das Theater, wie es war, war fur Handke ein Relikt aus einer vergangenen Zeit. Die Brecht'sche Desillusionierung, die zum Desillusionieren immer Illusionen notig hatte, erschien ihm ebenso als fauler Zauber, wieder wurde Wirklichkeit vorgetauscht, wo Fiktion war. Seine Sprechstucke sind radikal anti-illusionistisches Theater und radikal anti-aristotelisch.
Handke beschreibt in ≫Bemerkung zu meinen Sprechstucken≪; "Die Sprechstucke sind Schauspiele ohne Bilder, insofern, als sie kein Bild von der Welt geben. Sie zeigen auf die Welt nicht in der Form von Bildern, sondern in der Form von Worten.(...) Die Worte, aus denen die Sprechstucke bestehen, geben kein Bild von der Welt, sondern einen Begriff von der Welt."
Das erstes Sprechstuck ≫Publikumsbeschimpfung≪ wurde am 8. Juni 1966 in Frankfurt am Main durch das Theater am Turm uraufgefuhrt.≫Publikumsbeschimpfung≪ hat keine Handlung, weil jede Handlung auf der Buhne nur das Bild von einer anderen Handlung ware. Dieses Stuck hat keinen Dialog, der die sprachliche Grundform der Dramatik ist. Der Schauspieler dieses Stuckes spielt seine Rolle auf der Buhne nicht, sondern er ist der Sprecher eines Textes. Das angesprochene Gegenuber ist das Publikum. Der Sprecher und das Publikum bilden allmahlich eine Einheit. Aber das Publikum muβdie Rolle des Gegenuber nicht spielen, weil es direkt angesprochen ist. " Die Rampe ist keine Grenze. "In Verfolgung der Absicht, Anti-Theater im radikalen Sinne betreiben zu wollen, wird die traditionell vorhandene Polarisierung von Spielern und Buhnenraum auf der einen und Zuschauern und Zuschauerraum auf der anderen Seite negiert. In diesem Stuck bricht Handke die offene Seite zum Publikum, die vierte Wand durch.
Im letzten Teil des Textes wird das Publikum beschimpft. Bevor die Beschimpfung beginnt, wird dem Publikum theoretisch erlautert, warum es beschimpft wird: "Sie werden beschimpft werden, weil das Beschimpfen eine Art ist, mit Ihnen zu reden. Indem wir beschimpfen, konnen wir unmittelbar werden. "Die Beschimpfung zerstort jede Illusion. Der Abstand zwischen dem Publikum und den Sprechern wird nicht mehr unendlich sein.
Im Sprechstuck ist die bedeutendeste Elemente die Sprache, die Worte. In der Publikumsbeschimpfung redet ein Sprecher an: "Die Satze sind meist sehr einfach, kaum einmal ist eine Auflosung der Aussage in zwei Nebensatze zu beobachten. Die Verben sind der alltagssprache entnommen. Stilkennzeichen der Publikumsbe-schimpfung sind die Rhythmisierung durch Aneinanderreihung von Satzen gleicher Struktur in den einzelnen Textabschnitten. Das Worspiel ist hier Bestandteil des Sprechstucks. Die Sprachphilosophie Wittgensteins und Konkrete Poesie haben auf die Sprachanschauung Handkes entscheidenden Einfluβ ausgeubt. Die Sprache selbst muβ zum Ereignis werden. Im deutschen moderen Drama hat die Sprechstukke Handkes neuen schopferischen Stil gebildet, der die Sprache selbst zum Zweck werden laβt.